Joseph Freiherr von Eichendorff - Der Dichter in Köthen
Bis heute ist nicht genau nachzuweisen, warum Eichendorff gerade in Köthen ein Haus erwarb, ohne länger hier zu leben. Dessen ungeachtet kann die Stadt stolz darauf sein, das einzige noch erhaltene Wohnhaus des Dichters zu besitzen.
Zweimal weilte Joseph von Eichendorff zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit seiner Familie in Köthen.
Der erste Aufenthalt war geprägt durch die Flucht der Familie Eichendorff vor den Aufständen der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49. Die Eichendorffs, die seit der Pensionierung des Dichters (1844) einen gemeinsamen Haushalt mit der Familie der Tochter Therese, verheiratete von Besserer-Dahlfingen führten, flohen im Frühjahr 1848 zunächst nach Dresden. Von dort aus gingen sie nach Meißen und im Mai 1849 für einen knappen Monat nach Köthen in Anhalt.
Sie wohnten im Haus eines Verwandten, Major Nicolaus von Holly-Ponientzietz, in der Magdeburger Vorstadt (Nr. 587a).
Von Holly war ein entfernter Cousin der Ehefrau des Dichters, Louise von Larisch, stammte auch aus Oberschlesien und tauchte 1829 erstmalig in Köthen als Leutnant und Kommandeur der Gendarmerie auf. Er erwarb das spätere "Eichendorff-Haus" im Jahre 1835. Mit der Beförderung zum Major und dem Befehl über die Vereinigte Anhalt-Dessau-Köthensche Jägerabteilung verlegte er seinen Wohnsitz nach Dessau und verkaufte sein Köthener Haus an Therese von Besserer-Dahlfingen, geb. Eichendorff, am 10. August 1854. Der Kaufpreis betrug 4.100 Taler. Der Dichter hat sich wohl zumindest am Erwerb des Hauses beteiligt, brachte sich aber damit an den Rand des finanziellen Ruins.
1855 weilten die Eichendorffs für etwas längere Zeit in Köthen. Sie trafen Ende Mai hier ein und verließen Köthen wieder am 30. Oktober Der Aufenthalt in Köthen war unterbrochen durch eine Kur der Eheleute Eichendorff in Karlsbad (Böhmen) vom 4. Juni bis 15. Juli. Eichendorffs Frau Louise litt an einem schweren Leberleiden, das aber durch die Badekur nur vorübergehend gelindert werden konnte.
Im September besuchte der alternde Dichter von Köthen aus die Stadt Halle an der Saale. Er erinnerte sich der unbeschwerten Studentenzeit in den Hörsälen, auf dem Giebichenstein und in Reichardts Garten, an die ersten Liebschaften, die Theaterbesuche in Bad Lauchstädt und an die singenden und fechtenden Burschen in den nächtlichen Straßen.
Die Familie lebte wegen der Krankheit der Frau wohl sehr zurückgezogen in Köthen. Eichendorff besuchte die Messe in der katholischen Kirche und wird Spaziergänge durch die Fasanerie und in die nähere Umgebung gemacht haben. Womöglich hat er in der Köthener Schlossbibliothek die alten Handschriften und Drucke der Fruchtbringenden Gesellschaft durchgesehen, um sie in seiner Literaturgeschichte zu erwähnen.
Sein Schwiegersohn, Hauptmann von Besserer-Dahlfingen, war preußischer Offizier und als Lehrer an der Kadettenanstalt in Berlin tätig. Mit seiner Versetzung nach Neisse (Oberschlesien) und Einsetzung als Leiter der dortigen Divisionsschule musste die Familie das Haus in Köthen aufgeben. Zunächst konnte es nur vermietet werden, wurde aber 1860 von der verwitweten Therese an den Bäckermeister Schütze aus Köthen für nur 3.000 Taler verkauft, wovon noch eine Restschuld an von Holly zu zahlen war. Die Eichendorffs reisten von Köthen über Berlin und Breslau nach Neisse, wo Ehefrau Louise am 3. Dezember 1855 starb.
Im Umkreis der Köthener Zeit arbeitete Eichendorff an verschiedenen Projekten. So 1849 in Dresden an der satirischen Erzählung "Libertas und ihre Freier". 1850 beschäftigte er sich mit Calderon-Übersetzungen; die dritte Auflage der Gedichte erscheint. Brockhaus gibt 1851 in Leipzig "Der deutsche Roman des achtzehnten Jahrhunderts in seinem Verhältnis zum Christentum" heraus. 1853 erscheint das Versepos "Julian" bei Simion in Leipzig und der zweite Band der "Geistlichen Schauspiele" von Calderon bei Cotta. 1854 veröffentlicht Brockhaus den literaturgeschichtlichen Exkurs "Zur Geschichte des Dramas".
Das Versepos "Robert und Guiscard" erscheint 1855 und 1856 die vierte Auflage der Gedichte. Eichendorff schreibt seine Erinnerungen "Der Adel und die Revolution" und "Halle und Heidelberg". Die "Geschichte der poetischen Literatur in Deutschland" bringt nicht die erhoffte Resonanz. 1857 wird Eichendorffs Versepos "Lucius" publiziert. Die letzte Arbeit des Dichters ist die an der Biografie der Heiligen Hedwig.